Spezielle Pilzbiotope

Spezielle Pilzbiotope

Im Menüpunkt "Vegetation" werden wichtige Pilzhabitate beschrieben. An dieser Stelle werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit weitere Pilzlebensräume beschrieben, von denen einige vielleicht nicht jeder Leser gleich im Fokus hat(te).


Der Fichtenforst, auch „Nachfolgefichtenforst“ genannt, ist eine vom Menschen geschaffene Monokultur, die in der Regel mit Jungpflanzen von Picea abies, der gemeinen Fichte angelegt wird. Bereits Ende des 19. Jh. wurden sehr große Flächen in Bayern in dieser Form aufgeforstet. Bekannte Beispiele in unserer Umgebung sind der Forstenrieder Park bei Neuried und der Perlacher Forst bei München, aber auch Tausende Parzellen im Fünfseenland. Alle diese Forste haben Eines gemeinsam: Sie wachsen auf Flächen, die ursprünglich von natürlicher Vegetation wie z. B. Orchideenbuchenwäldern besiedelt waren. In diesen Wäldern hat sich nach und nach eine dafür typische Pilzartengemeinschaft angesiedelt. Hier wachsen vorzugsweise Symbionten der Fichte wie Steinpilz (Boletus edulis), Marone (Xerocomus badius), Rotfußröhrling (Xerocomus chrysenteron), Perlpilz (Amanita rubescens), aber auch Streuzersetzer wie Anisegerling (Agaricus essetei) und Blutender Waldchampignon (Agaricus sylvaticus). Auch von Forstleuten gefürchtete Schwächeparasiten wie der Hallimasch (Armillaria spec.) und Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum) sind hier sehr häufig anzutreffen. Letztere finden in den meist maschinell bewirtschafteten Plantagen einen reichlich gedeckten Tisch vor, denn das Befahren mit Erntemaschinen führt häufig zu Verletzungen an Stämmen und Wurzeln, durch die die Pilze leicht in ihren Wirt eindringen können. In den letzten Jahrzehnten hat sich, gefördert durch die maschinelle Bewirtschaftung und hohe Stickstoffeinträge, ein weiteres Problem breit gemacht. Der hochinvasive Neophyt Indisches Springkraut (Impatiens glandulifera), wird in mehr und mehr Flächen eingeschleppt und verdrängt die in diesen Wäldern noch verbliebene natürliche Moos- und Krautschicht. Die Folgen für die Pilzwelt sind noch nicht erforscht, doch hat noch Niemand von uns z. B. einen Steinpilz in einem Springkrautbestand gefunden.



Springkrauteintrag durch maschinelle Waldbewirtschaftung

Beginn der Kolonisierung



Offenlandhabitate wie Halbtrockenrasen,Streuwiesen, Viehweiden, Pferdekoppeln uvm. sind Lebensräume für Hunderte von Pilzarten. Hier gilt wie in vielen Lebensräumen auf der Welt: Je mehr Pflanzenarten in diesen Flächen vorkommen, umso mehr Pilzarten können wir hier finden. Die Artenvielfalt dieser Lebensräume hängt im Wesentlichen von der Bewirtschaftung, der Habitattradition, den Bodenverhältnissen und dem Nährstoffgehalt des Bodens ab. Prominente Vertreter von der Liste der empfohlenen Speisepilze (s. www.dgfm-ev.de) sind der Wiesenchampignon (Agaricus campestre) und der Riesenbovist (Langermannia gigantea). Während Ersterer es mittlerweile auf die Vorwarnstufe der Roten Liste der Großpilze Bayerns (Karasch & Hahn 2010) „geschafft“ hat, fühlt sich Letzterer in den völlig überdüngten, meist stickstoffgesättigten Böden sehr wohl. Dort also, wo aufgrund von intensiver Tierhaltung oder übermäßiger Verrieselung von Tierabfällen wie Gülle die Böden derart übernutzt werden, sterben Hunderte von Pflanzen-, Pilz- und Tierarten aus. Leider werden diese Stoffe (z. B. Ammoniak-Gase) auch über die Luft verteilt und verändern somit auch an sich gesetzlich geschützte Biotope in der Nachbarschaft. Trotz dieser immer stärker zu Tage tretenden negativen Auswirkungen unserer intensiven Wirtschaftsweise, gibt es im Fünfseenland noch eine ganze Reihe von sehr attraktiven, artenreichen Flächen, die es für die nachkommenden Generationen zu erhalten gilt. Hier finden sich noch Hunderte von Raritäten, die in anderen Regionen längst ausgerottet sind. Dazu gehören die bei Pilzkundlern beliebten Saftlinge (Hygrocybe spec), weil sie genau wie z. B. heimische Orchideen, Enziane und Berghähnlein sehr empfindlich auf Nährstoffeinträge reagieren.

Alte Gärten, besonders wenn Sie extensiv gepflegt und wenig gedüngt wurden, beherbergen oft eine erstaunlich hohe Anzahl an Pilzen. Am Ammersee gibt es Grundstücke, auf denen Hunderte von Pilzarten vorkommen, darunter so begehrte Delikatessen wie Sommertrüffeln (Tuber aestivum) und gute Speisepilze wie Netzstieliger Hexenröhrling (Boletus luridus) und Perlpilze (Amanita rubescens). Doch Vorsicht ist immer angebracht, denn auch ausgesprochen giftige Arten wie Knollenblätterpilze (z. B. Amanita phalloides) oder Satanspilz (Boletus satanas) können bei Buchen und Eichen in alten Villengärten wachsen. Jeder Gartenbesitzer, der im Sommer und Herbst große Mengen von Pilzen in seinem Garten bestaunt, kann sich stolz und glücklich schätzen. Sie zeigen ihm an, dass er seinen Besitz naturverträglich bewirtschaftet. Die Formel ist ganz einfach: Je mehr Blaukorn, desto weniger Pilzarten. Das bedeutet jedoch nicht, dass man alle Pilze mit Dünger vertreiben kann. In saftig grünen Rollrasen finden sich nach intensiven Regenfällen oder Bewässerung oft Tausende von Düngerlingen (Panaeolus spec.), Tintlingen (Coprinus s.l.) und Samthäubchen (Conocybe spec.). Und auch die bei Kennern geschätzten Schopftintlinge (Coprinus comatus) zeigen Stellen an, die gut mit Stickstoff (vom eigenen oder Nachbarhund) versorgt sind. Wenn Sie zu den Gartenbesitzern mit altem Baumbestand und extensiven Moosrasenflächen gehören, freuen wir uns über Ihre Nachricht und gute Bilder von Pilzen aus Ihrem Garten. Denn da die meisten Gärten von einer hohen Hecke und einem Zaun umgeben sind, bleiben sie der Pilzforschung i. d. Regel verschlossen. Scheuen Sie sich also nicht, gute, aussagekräftige Bilder an karasch@pilze-bayern.de zu senden oder frisch gesammelte Exemplare zwischen Ende Juli und Anfang Oktober in die Pilzberatung (immer montags) nach München (s. www.pilze-muenchen.de) zu bringen. Manchmal sind Besonderheiten darunter, die wir gern in die Verbreitungskarten mit Punkt, Datum und Namen des Finders eintragen.

Auch Komposthaufen und Mulchflächen sind besondere Pilzbiotope. So können Sie auf mit Rindenmulch bedeckten Pflanzflächen im eigenen Garten oder beim Discounter im Folgejahr die „RiMuMo’s“ finden. Ab dem dritten Jahr kommt die Fruchtkörperbildung der Rindenmulchmorcheln (Morchella elata) aber meist wieder zum Erliegen. Doch wer das Glück hat, auf eine solche Kolonie zu treffen, kann sich für mehrere Jahre einen Vorrat von getrockneten Fruchtkörpern zum Verfeinern von Soßen anlegen. Auch der Gartenkompost würde ohne die Abbauaktivitäten von Pilzen nicht so schnell zum nachhaltigen Gartendünger umgewandelt. Wer viel Laubkompost anlegt, kann im Spätherbst z. B. durch eine Gruppe von Violetten Rötelritterlingen (Lepista nuda) überrascht werden, die unter Kennern als gute Speisepilze geschätzt sind. Es gibt auch einige (evtl. unbekömmliche) Kompostegerlinge (Agaricus spec.), die sie aber lieber erst zur Pilzberatung bringen sollten, bevor Sie sie verspeisen.

In Gewächshäusern und Wintergärten können Sie ebenfalls auf Pilze treffen. Oft sind es mit den Zier- und Nutzpflanzen eingeschleppte, wärmeliebende Arten. Darunter könnte auch der Pilz des Jahres 2011(LINK) sein. Der Rote Gitterling (Clathrus ruber) ist sehr hübsch, stinkt aber genauso wie die mit ihm verwandte bei uns verbreitete Stinkmorchel (Phallus impudicus). Er ist im gesamten Mittelmeerraum verbreitet. Auch hier freuen wir uns über Ihre Mitteilung per Bild oder in der Pilzberatung, wenn Sie mal auf einen „Exoten“ treffen.

Misthaufen und Kuhfladen

beherbergen eine ganz spezielle ökologische Gruppe von Pilzen, die Coprophilen. Egal ob Stallmist von Pferden, Rindern und Schafen, abgesammelte Roßäpfel von der Koppel, Hinterlassenschaften von Rindern auf der Weide, von Hasen, Hirschen, Rehen und Wildschweinen im Wald, hier können Spezialisten (diese müssen natürlich auch coprophil sein) Hunderte von Pilzarten finden. Was würde aus der Weide mit Rindviechern, wenn sich nicht auch die Pilze um den Abbau, also die Remineralisierung von organischer Masse „kümmern“ würden? Bereits nach zwei Jahren wäre die Fläche frei von Vegetation und voll mit Kuhfladen. Die Pilze machen das gratis, aber nicht ohne Grund. Es sind allesamt Saprobionten (Streuzersetzer), die sich im Laufe der Evolution auf tierische Exkremente spezialisiert haben. Allein auf einem einzigen Dungfladen können so während der ca. 12-monatigen Abbauphase bis zu 40 verschiedene Pilzarten beobachtet werden. Und auch hier gilt analog zu anderen Pilzbiotopen: Je mehr verschiedene Pflanzen das Rind gefressen hat, umso mehr Pilzarten sind in der Folge auf dem Fladen zu finden. Bereits ab der zweiten Woche können so bis zur völligen Zersetzung Pilzfruchtkörper entdeckt werden. Misthaufen sind für die Pilzkunde schon im Frühjahr ab März/April interessant, da sie durch ihre biologische Aktivität viel Wärme entwickeln, die wiederum die Pilze zur Fruchtkörperentwicklung benötigen.


Alte Parkanlagen, Friedhöfe und Golfplätze


können ebenfalls Lebensräume für Hunderte von Pilzarten sein. Hier kommt es wie in den Privatgärten auf den Düngereinsatz an. Das saftige Intensivgrün der hiesigen Golfplätze hat seine Ursache in starkem (Kunst-)Düngereinsatz. Hier finden sich trotz teils wunderschöner, alter Baumbestände kaum mehr die dazu gehörenden Pilzarten aus den Gruppen der Dickröhrlinge, Korallen, Milchlinge, Schleierlinge, Täublinge, Wulstlinge uvm. Wie artenreich und schön die Pilzfloren solcher Parkanlagen sein können, das kann man in extensiv gepflegten Arealen mit Moosrasen und bunten Blumenwiesen beobachten. Diese sind in vielen urbanen Bereichen letzte Refugien von anderswo selten gewordenen Pilzarten.



Brandstellen

wurden seit der Entdeckung und Nutzung des Feuers von Menschen angelegt. In der Natur sind Großfeuer (überwiegend ausgelöst durch Blitzschlag) in vielen Erdteilen für die natürliche Waldsukzession wichtig. Pilze haben sich daher auch diesen Lebensraum mit Kohlenstoffquellen schon vor langer Zeit erobert. In Kulturlandschaften, die nach alten Traditionen bewirtschaftet werden (siehe z. B. Rumänien - Provinz Maramuresch) sind diese Kleinfeuerstellen noch in ausreichendem Maße vorhanden. Im Fünfseenland findet man hier und dort Waldfeuerstellen mit der für sie typischen Pilzartengemeinschaft. Einige Arten sind in Deutschland allerdings schon Raritäten, da ihre natürlichen Lebensräume Feuerstellen selten geworden sind. Ein kontrolliertes Feuer aus natürlichem Holz kann also ebenfalls die Artenvielfalt bereichern.