Vegetation

Vegetation

Als Potenzielle natürliche Vegetation (abgekürzt PNV) bezeichnet man den Endzustand der Vegetation, den man ohne menschliche Eingriffe im jeweiligen Gebiet erwarten würde. Der Ausdruck wird vor allem im Zusammenhang mit Vegetationsanalysen und -rekonstruktionen verwendet. Im Konzept der PNV werden, anders als im Konzept der Heutigen potenziellen natürlichen Vegetation (hpnV), in der Vergangenheit erfolgte irreversible/dauerhafte menschliche Veränderungen von Standortbedingungen nicht berücksichtigt.“ (vgl. www.wikipedia.org )

Als natürliche Vegetation bezeichnet man demnach einen nur noch theoretisch vorhandenen Zustand, der vorhanden wäre, wenn der Mensch nicht in diese Entwicklungsprozesse eingegriffen hätte.

Dieser Zustand ist in unserer Kulturlandschaft nur noch fragmentarisch vorhanden. Streng genommen, gibt es in ganz Deutschland keinen einzigen Quadratmeter ohne großteils gravierende menschliche Einflüsse mehr, denn Dünger und Schadstoffe werden permanent über die Luft in alle Naturräume eingetragen, Bodenstrukturen, Wasserhaushalt und Vegetation durch Besiedlung, Land- und Forstwirtschaft und Industrie gestört.

Nachfolgend werden die wichtigsten natürlichen Wald- und Pflanzengesellschaften (vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) 2012) im Fünfseenland mit Beispielen von typischen Pilzarten mit einer Kurzcharakteristik erläutert. Unter dem Menupunkt Spezielle Pilzbiotope sind weitere wichtige Lebensräume für Pilze auf vom Menschen veränderten bzw. Sonderstandorten dargestellt. Weiterführende Angaben zu Ökosystemen und Pflanzengesellschaften Mitteleuropas, in denen Großpilze vorkommen, finden sich z. B. in Krieglsteiner (1993). Ein Grundlagenwerk zur allgemeinen und speziellen Vegetationsökologie ist Pfadenhauer (1997).


Waldfreie Moore und Moorwälder

Diese andernorts aufgrund von Entwässerungsmaßnahmen sehr selten gewordenen Vegetationseinheiten sind in allen vier Landkreisen noch verhältnismäßig gut in einigen Naturschutzgebieten erhalten. Bekannte Moorgebiete sind z. B. der Esssee östlich von Andechs, das Bernrieder Filz, das Leutstettener Moor und die Grasleitner Moorlandschaft im südlichen Landkreis Weilheim. Dort finden sich Moosbeeren-Torfmoos-Gesellschaften, Latschen-und Spirkenmoorwälder, Birkenmoorwälder, Waldkiefernmoorwälder und Fichten-Torfmooswälder. In diesen sehr störungsempfindlichen Biotopen wachsen pilzkundliche Besonderheiten wie der Torfmoos-Schwarzborstling (Pseudoplectania sphagnophila), der Heide-Stäubling (Lycoperdon ericaeceum) und der zuletzt in den 70er Jahren dokumentierte Moor-Halllimasch (Armilllaria ectypa). Aufgrund von Entwässerungs- und Forstmaßnahmen sind im Gebiet auch alle Übergangsstadien bis hin zu schwachwüchsigen Fichtenforsten zu finden. Auch vom Menschen stark veränderte (in der Regel entwässerte) ehemalige Hochmoore wie z. B. das NSG Wildmoos beim Jexhof können, wenn Sie der natürlichen Sukzession (Artenabfolge über längere Zeiträume) überlassen werden, eine bemerkenswerte und artenreiche Pilzflora beherbergen.

Birkenmoorwald bei Bachern/Wörthsee

Schwarzerlen-Bruchwälder

Diese auf ganzjährig bis zur Oberfläche anstauendes Grundwasser angewiesenen Waldtypen befinden sich oft im Übergangsbereich zu Hochmooren und Röhricht-Gesellschaften oder auch kleinflächig in Toteismulden und sind ebenfalls noch relativ häufig anzutreffen. Die hier dominierende Baumart ist die Schwarzerle (Alnus glutinosa), die neben der Symbiose mit Stickstoff fixierenden Knöllchenbakterien dutzende von Pilzarten als Ektomykorrhiza-Symbionten für ihre Nährstoffversorgung als Partner mit Photosyntheseprodukten versorgt. Andernorts seltene, und daher in der Roten Liste der Großpilze Bayerns meist als gefährdet eingestufte Arten, sind z. B. der Lila-Milchling (Lactarius lilacinus) und der Torfmoos-Sumpfschnitzling (Naucoria sphagneti).


Auewälder und Edellaubholzreiche Feucht- und Sumpfwälder

Diese Waldtypen finden sich in der Nähe von Fließgewässern wie Ammer, Amper und Würm oder auf Standorten mit dauerhaft hohem Wasserstand z. B. unmittelbar am Seeufer angrenzend an die Schilfzone. Die häufigsten Verbände sind hier die Schwarzerlen-Sumpfwälder, Erlen-Eschenauwälder und die Weidenauen wie z. B. den Bruchweiden-Auwald, der entlang von Ammer und Amper anzutreffen ist. Alle diese Biotope weisen nicht nur eine an den feuchten Standort angepasste Vegetation, sondern auch spezialisierte Pilzartengemeinschaften auf. Eine sehr schöne und auffällige, aber insgesamt im Gebiet seltene Art, ist der Scharlachrote Prachtbecher (Sarcoscypha austriaca), der unmittelbar nach der Schneeschmelze auf am Boden liegendem Erlen-, Eschen- und Ahornholz gefunden werden kann. Auch beliebte Speisepilze wie die Maimorchel (Morchella esculenta) oder die von Kennern geschätzten Winter-Samtfußrüblinge (Flammulina velutipes s. l.) und Schwefelporlinge (Laetiporus sulfureus) haben hier ihren Lebensraum.


Hainbuchenwälder feuchter Standorte

Diese sind im Gebiet meist als Eichen-Hainbuchenwald mit Haseln oder Eschen-Hainbuchenwald in der Übergangszone zwischen Sumpf- und Buchenwäldern auf besseren, nährstoffreichen, lehmigen Böden anzutreffen. Ähnlich wie die Auwälder finden sich diese Vegetationstypen parallel zu Gewässern. Schöne Bestände finden sich beispielsweise am Ammersee-Westufer zwischen Dießen und Utting, wo unter anderem das Naturschutzgebiet Seeholz ausgewiesen ist. Das „Seeholz“ liegt als „Insel“ südlich der klimatisch bedingten Arealgrenze dieser Vegetationseinheit, die in der Mitte des Ammersees verläuft. Dort wurden seit den 70er-Jahren umfangreiche Bestandsaufnahmen durch die Mitarbeiter E. Garnweidner und H. Grünert mit weiteren Mitgliedern des Vereins f. Pilzkunde München e. V. durchgeführt, bei denen mehr als 350 Großpilzarten dokumentiert wurden. Dort kommen etliche seltene bis sehr seltene Schleierlingsarten (Cortinarius spec.) vor, unter ihnen die Schleiereule (Cortinarius praestans), der Pilz des Jahres 2010. (Eichen-) Hainbuchenwälder können aufgrund forstlicher Eingriffe auf ehemaligen Buchenwaldstandorten vorkommen. 


Hainbuchenwälder wechseltrockener Standorte

Auf Standorten, die aufgrund der Bodenfeuchte von der Buche gemieden werden, kann man den Waldlabkraut-Eschen-Hainbuchenwald antreffen. Eine Besonderheit ist der Weißseggen- (Winterlinden) Eschen-Hainbuchenwald, der nur auf den durchlässigen Schotterböden der Lechauen und Münchner Schotterebene vorkommt. Er leitet in der montanen Stufe zum Giersch-Bergahorn-Eschenwald und Hainlattich-Tannen-Buchenwald über. Typische Pilzarten sind viele Hainbuchen- und Eichenbegleiter wie der Hainbuchenröhrling (Leccinum carpini), der Gefleckthütige Röhrling (Boletus depilatus) oder der gebänderte Hainbuchenmilchling (Lactarius circellatus).


(Fichten-Tannen-) Buchenwälder

mäßig basenreicher bis basenreicher Standorte

Buchenwälder nehmen einen Großteil der potenziellen natürlichen Vegetation in Deutschland und auch im Fünfseenland ein. Die Realität sieht aufgrund der seit ca. 1820 begonnenen „planmäßigen Forstwirtschaft“ in Bayern anders aus. An vielen Orten finden sich die sogenannten Fichten-Nachfolgeforste, die nun allerdings seit den großen Sturmwürfen von „Lothar“ und „Wiebke“ teils forstlich, teils natürlich wieder zu stabileren Mischwäldern heranwachsen. Die vegetationskundliche Großeinheit ist an Wuchsorten der Tanne der Waldmeister-Buchenwald, der aufgrund der Bodenverhältnisse im Fünfseenland allerdings deutlich seltener anzutreffen ist als die nachfolgend beschriebenen Kalkbuchenwälder. Eine typische und auffällige Pilzart ist hier der Strubbelkopfröhrling (Strobilomyces strobilaceus).

Buchen-Hallenbestand


Fichtenforste, umgangssprachlich auch Holz, Fichtenstangenforst oder naserümpfend Fichtenacker genannt, bedecken immer noch einen großen Teil unserer Waldflächen. Während diese Gebiete von Botanikern oft links liegen gelassen werden, strömen die Speisepilzsammler in Massen in diese Wälder, um sich mit Fichten-Steinpilzen (Boletus edulis), Maronen (Xerocomus badius), Perlpilzen (Amanita rubescens), Fichtenreizkern (Lactarius deterrimus), Riesenschirmlingen (Macrolepiota procera und Chlorophyllum rachodes) Waldchampignons (Agaricus spec.) zu versorgen. Aber auch die Pilzkundler finden, zumindest in waldbaulich einige Jahrzehnte unbehelligt gebliebenen Parzellen, gelegentlich interessante und seltene Pilzarten wie den Kleinen Wurzelschnitzling (Phaeocollybia arduennensis), den Orangerandigen Hautkopf (Cortinarius malichorius) oder die Mäandertrüffel (Choiromyces meandriformis).


(Fichten-Tannen-) Buchenwälder

stark basenreicher und kalkhaltiger Standorte

Der Waldgersten-Tannen-Buchenwald tritt größerflächig nur in der Jungmoräne des Alpenvorlandes auf; in den wärmegetönten Bereichen um Ammersee und Starnberger See auch als Christophskraut-Waldgersten-Tannen-Buchenwald; allerdings mit stark zurücktretenden Tannenvorkommen.“ (LfU 2012: 72)

Sicherlich sehr auffällig und im Fünfseenland weit verbreitet sind die Orchideenbuchenwälder (Cephalantero-Fagetum) mit Weißem und seltener Rotem Waldvögelein und die Hainsalat-Buchenwälder (Aposeri-Fagetum). Obwohl dieser Lebensraum gemäß dem Europäischen Natura 2000-Gesetz und in den FFH-Richtlinien geschützt ist, werden auch heute noch alte, wertvolle Buchenbestände forstlich genutzt, was stellenweise zu einem starken Rückgang und Bedrohung der Bestände geführt hat. Nahezu natürliche Bestände, oft nur noch in Resten an Steilhängen (z. B. Kienbachtal und Pähler Schlucht), auf Hügeln (Drumlins) und an Waldrändern vorhanden, haben eine typische und sehr artenreiche Pilzartengemeinschaft (Funga). Hier finden sich seltene Korallenarten (Ramaria spec.), der Kronenbecherling (Sarcosphaera coronaria), stark gefährdete Dickröhrlinge wie der Satanspilz (Boletus satanas), der Silberröhrling (Boletus fechtneri) und der Rosahütige Hexenröhrling (Boletus rhodoxanthus). Dutzende von Milchlings- und Täublingsarten (Lactarius und Russula) und Schleierlinge (Cortinarius spec.) haben hier ihre Refugien als Symbionten der Buche. Auch die letzten noch bekannten Bestände des früher häufigen Schweinsohrs (Gomphus clavatus, ehemals Marktpilz, aber mit starken Bestandsrückgängen wie die Pfifferlinge) befinden sich in einem Kalkbuchenwald zwischen Pähl und Andechs. Naturnahe Bestände erkennt man neben der typischen Bodenvegetation am Vorkommen von Naturnähezeigern wie dem Zunderschwamm (Fomes fomentarius) und Buchenstachelbart (Hericium coralloides). Diese Pilzarten sind auf alte Bestände mit stehendem und liegendem Totholz angewiesen.

Natürliche Sukzession im Buchenwald mit liegendem Totholz

Literatur:

Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) (2012): Potentielle Natürliche Vegetation Bayerns – Erläuterungen zur Übersichtskarte 1:500000.

Krieglsteiner GJ (1993): Einführung in die Ökologische Erfassung der Großpilze Mitteleuropas – Beihefte zur Zeitschrift für Mykologie 8: 1-240.

Pfadenhauer J (1997): Vegetationsökologie, ein Skriptum, 2. verbesserte und erweiterte Auflage mit 170 Abbildungen und 64 Tabellen – IHW-Verlag.